Weit verbreitet: Blähbauch bei Reizdarm
Interview mit Ärztin und Reizdarmspezialistin Dr. med. Nicole Steenfatt

Die Medizin unterteilt das Reizdarmsyndrom in vier Krankheitstypen – je nachdem welche Beschwerden vorwiegend auftreten: Durchfall-, Verstopfungs-, Schmerz- und Blähungstyp. Eine strikte Trennung ist dabei nicht immer möglich, denn neben diesen vier Hauptformen gibt es zahlreiche unterschiedliche Mischtypen. Unabhängig vom RDS-Typus vereint viele Patienten jedoch ein sehr störendes Symptom: der aufgeblähte Bauch.
Die Ärztin und Reizdarmspezialistin Dr. med. Nicole Steenfatt ist aus ihrer Praxis mit diesem häufigen Problem sehr gut vertraut.
Frau Dr. Steenfatt, wie viele Ihrer Reizdarmpatienten leiden an einem Blähbauch?
Allgemein gesagt: die allermeisten. Etwa 80 Prozent der Patienten, die erstmals in meine Praxis kommen und bei denen ich einen Reizdarm diagnostiziere, haben einen Blähbauch. Oft ist der dauerhaft aufgeblähte Bauch auch erst der entscheidende Auslöser, einen Arzt aufzusuchen – denn er schmerzt und drückt nicht nur häufig, sondern belastet die Betroffenen auch psychisch enorm, allein wegen der prallen Optik.
Warum haben so viele RDS-Patienten einen Blähbauch, was sind die Ursachen?
Bei jedem gesunden Menschen entstehen täglich viele Verdauungsgase im Darm, das ist also erstmal ganz normal. Bei Reizdarm-Patienten können sich jedoch aufgrund gestörter Darmbewegungen und schlechter, unvollständiger Nahrungsverwertung nicht nur zu viele Gase bilden, sondern diese sammeln sich auch. Durch zu viel Nahrung im Darmtrakt kann dieser Effekt noch verstärkt werden. Für die Betroffenen ist das gleich doppelt unangenehm. Einerseits reagiert ihre hypersensible, also überempfindliche Darmwand auf den Dehnungsreiz durch die Verdauungsgase wesentlich stärker spürbar als das bei gesunden Menschen der Fall ist – was zu Krämpfen und krampfartigen Bauchschmerzen führt. Andererseits bildet sich zusätzlich oft noch ein Blähbauch, der trommelartig „aufgetrieben“ und sehr schmerzhaft sein kann. Hinzu kommt die optische Erscheinung, die vielen Menschen unangenehm ist, weil der Eindruck entsteht, sie seien dick. Alles in allem also sehr belastend für Körper und Psyche.
Wie helfen Sie diesen „aufgeblähten“ Patienten?
Als erstes muss ich ausschließen, dass dem Blähbauch eine andere Erkrankung zugrunde liegt. Wenn das der Fall ist und es sich um den Reizdarmblähbauch handelt, dann empfehle ich den Patienten verschiedene Heilpflanzen zum individuellen Ausprobieren, denn nicht bei jedem wirkt alles gleich gut. In Frage kommen beispielsweise Fenchel oder Pfefferminze als Tee, auch Anis, Kümmel, Kamille und Myrrhe können dem Darm entblähen und krampflösend wirken.
Und was können die Betroffenen selbst tun?
Eine sehr gute Frage, denn auch das ist wichtig, das besprechen wir immer: Welche Lebensgewohnheiten können zu Blähungen und Blähbauch beitragen und wie lassen sich diese optimieren? Hier steht der Verzicht auf stark blähende oder individuell schlecht verträgliche Speisen ganz weit vorne – das können die „Klassiker“ sein wie Zwiebeln, Knoblauch, Bohnen, Krautsalat und Rohkost aller Art. Aber auch zu viele Ballaststoffe machen sensiblen Därmen oft blähende Probleme. Daneben können mehrere kleine, leicht verdauliche Portionen am Tag hilfreich, also Blähbauchmindernd, sein, anstatt sich mit großen Portionen richtig satt zu essen. Auch regelmäßige Bewegung, besonders an der frischen Luft entlastet den Darm oft spürbar. Bei sehr ver- und angespannten Patienten gilt es, auch den Stresspegel im Leben dauerhaft zu senken.
Frau Dr. Steenfatt, vielen Dank für das Interview!
Dr. med. Nicole Steenfatt ist Fachärztin für Allgemein- und Viszeralchirurgie mit den Zusatzbezeichnungen Ernährungsmedizin und Proktologie sowie zertifiziert für Darmgesundheit und Stuhlinkontinenz und Fastenleiterin.