Reisedurchfall vorbeugen und behandeln
Prof. Dr. med. Tomas Jelinek, medizinischer Direktor des Berliner Centrum für Reise- und Tropenmedizin (BCRT)

Herr Prof. Jelinek, welche allgemeinen Empfehlungen zur Vorbeugung eines Reisedurchfalls können Sie geben?
Durchfall ist eines der häufigsten Gesundheitsprobleme der Welt und Reisedurchfall tritt entsprechend oft auf. Bei vielen Destinationen müssen Reisende gewahr sein, dass es durchaus wahrscheinlich ist, dass sie wenigstens ein paar Tage mit Durchfällen zu tun haben werden. In einigen Destinationen wie z.B. Indien erreicht die Quote 80%. Auch wenn man einige Vorsichtsmaßnahmen treffen kann, ist es doch fast unmöglich, sich komplett vor Durchfällen zu schützen.
Stimmt es, dass für das „alte Gesetz“ zur Vermeidung von Infektionen / Durchfall in Urlaubsländern „koch es, brat' es, schäl' es oder vergiss es“ keine Evidenz vorliegt? Kann der Tipp so noch gegeben werden?
„Koch es, schäl´es oder vergiss es“ ist ein Mantra der Tropenmedizin, das seit der Kolonialzeit bei jeder Beratung herunter gebetet wird. Und natürlich hilft es auch, grundlegende Hygienemaßnahmen zu beachten. Hierzu gehört vor allem regelmäßiges Händewaschen, das viel zu sehr vernachlässigt wird. Jedoch zeigen alle Studien, dass die Vermeidung von bestimmten Nahrungsmitteln praktisch keinen Effekt auf die Rate von Durchfallerkrankungen bei Reisenden hat. Es ist unmöglich, alle Infektionsquellen zu vermeiden. Viele Erreger sitzen bereits auf dem Teller oder dem Besteck. Daher bedeutet eine strenge Befolgung der Empfehlung vor allem, dass sich der Reisende kulinarischer Erlebnisse im Reiseland beraubt, ohne davon einen wirklichen Schutz zu haben.
Sie warnen vor dem sorglosen Einsatz des Wirkstoffs Loperamid, weil dieser den Darm „verstopft“? Was genau meinen Sie damit, warum sollte man vorsichtig sein?
Loperamid ist ein Opiumderivat. Hier macht man sich eine Nebenwirkung des Opiums zu Nutze, die Verstopfung. Dies wird sehr effektiv durch eine Lähmung des Dickdarmes erreicht. Bei der ärztlichen Behandlung von Darminfektionen mit einem Antibiotikum hat Loperamid sehr positive Effekte, da es die Wirkung des Antibiotikums durch den längeren Verbleib im Darm steigert.
Bei einem Reisedurchfall bietet dieser Effekt aber einige potentielle Nachteile. Loperamid verringert potentiell auch die Ausscheidung von pathogenen Erregern, so dass diese sich eventuell noch stärker vermehren können. Deshalb ist das Mittel auch bei blutigen Stühlen und bei Durchfall mit Fieber nicht geeignet. Darüber hinaus spielen sich viele Darminfektionen im Dünndarm ab und führen hier zu einem massiven Flüssigkeitseinstrom. Der Dünndarm ist dann prall gefüllt, aber die natürliche Darmbewegung rennt gegen den durch Loperamid gelähmten Dickdarm an. Das kann zu erheblichen Schmerzen und Krämpfen führen.
Auch vor einer vorschnellen Einnahme von Antibiotika bei Reisedurchfall warnt das CRM (Centrum für Reisemedizin)? Warum?
Bei gefährlichen Darminfektionen, z.B. der bakteriellen Ruhr, ist die Einnahme von Antibiotika eine wichtige Maßnahme. Häufig ist der Durchfall aber auch durch Viren oder Bakterientoxine bedingt, hier ist eine Antibiose nicht nur sinnlos, sondern auch schädlich für die verbleibende Darmflora. Zudem können durch die unkontrollierte Einnahme von Antibiotika auch multi-resistente Erreger gezüchtet werden.
Was kann man zur Vorbeugung und Behandlung des Reisedurchfalls empfehlen?
Neben allgemeinen Hygienemaßnahmen auf der Reise (Hände waschen!) kann die Schluckimpfung gegen Cholera das Durchfallrisiko um etwa die Hälfte reduzieren. Die Schluckimpfung schützt gegen das Toxin des Choleraerregers und dieses ist auf Erbgutebene identisch mit dem Toxin des häufigsten Durchfallerregers bei Reisenden, ETEC. Nach der Impfung ist man also zumindest vor diesem Keim geschützt. Zudem empfiehlt sich die Mitnahme von Mitteln in der Reiseapotheke, mit denen man schnell reagieren kann ohne sich zu schaden. Hier hat sich auch die Kombination von Präparaten bewährt, die gegen Entzündungsprozesse im Dickdarm und gegen den Flüssigkeitseinstrom im Dünndarm wirken. Zusammen, direkt nach jedem ungeformten Stuhl genommen, können sie eine Episode von unkomplizierter Reisediarrhoe effektiv verkürzen. Diese Mittel sind keine Antibiotika und frei in der Apotheke erhältlich.
Weitere Tipps rund um „Montezumas Rache auf Reisen“ finden Sie hier in der Übersicht.
Haben Sie weitere Fragen zum Thema?
Dann wenden Sie sich gerne an unseren Expertenrat.